Donnerstag, 9. August 2012

[Rezension] "Düsteres Verlangen. Die wahre Geschichte des jungen Victor Frankenstein" von Kenneth Oppel





 

Titel: Düsteres Verlangen, Die wahre Geschichte des jungen Victor Frankenstein
Originaltitel:   This Dark Endeavour, The Apprenticeship of Victor Frankenstein
Autorin: Kenneth Oppel
Genre: Jugendliteratur
Verlag: Beltz & Gelberg; Auflage: 1 (9. Juli 2012) 
ISBN: 978-3-407-81121-9
Seiten:  384
Vom Hersteller empfohlenes Alter: ab 12 Jahren




Blogg dein Buch und Beltz & Gelberg veranstalteten ein Gewinnspiel, bei dem man eines von 20 Leseexemplaren zu diesem Buch gewinnen konnte. Da ich schon lange einmal ein Buch von Kenneth Oppel lesen wollte, versuchte ich mein Glück und wurde tatsächlich ausgelost.




Genf, um 1800: Victor und Konrad Frankenstein lieben einander so innig, wie es nur Zwillinge vermögen. Allein die schöne Elizabeth steht zwischen ihnen. Dann erkrankt Konrad plötzlich an einem lebensgefährlichen Fieber. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Victor, rasend vor Verzweiflung, ist bereit, alles für seinen Bruder zu tun. Im Chateau Frankenstein stößt er auf eine geheime Bibliothek, in der ein Buch das »Elixier des Lebens« verspricht. Dessen Zutaten scheinen der Phantasiewelt eines kranken Geistes zu entstammen. Oder doch nicht? Zusammen mit Elizabeth macht sich Victor auf die Suche. Unvorstellbare Prüfungen erwarten die beiden – aber auch unerwartete Versuchungen. Was wird stärker sein: Bruderliebe oder Leidenschaft? Das größte Opfer seines bisherigen Lebens steht Victor bevor ...

Wie wurde Victor Frankenstein zu dem, den wir kennen? In seinem originellen Prequel zu Mary Shelleys Frankenstein gibt Kenneth Oppel eine schaurig-romantische Antwort.     (Bild- und Textquelle: Beltz & Gelberg)






Einstieg ins Buch:
Wir fanden das Ungeheuer auf einer Felsplatte hoch über dem See. Drei Tage waren mein Bruder und ich seiner Spur durch einen Irrgarten von Höhlen bis zu seinem Lager auf dem Gipfel des Berges gefolgt, und jetzt hatten wir es vor Augen, wie es da zusammengerollt auf seinem Schatz lag.

Ich muss ja zugeben, dass ich mich vor der Lektüre von Kenneth Oppels neustem Werkes überhaupt nicht mit Frankenstein auskannte: weder mit Mary Shelleys Originalversion noch dem Film. Als ich dann mit der Lektüre von "Düsterem Verlangen" begann, stiess ich schnell auf den Schauplatz Genfersee. Da musste ich gleich einmal einen Lesestopp einbauen und mich im Netz umschauen, was denn Frankenstein genau mit der Schweiz zu tun hatte. Und ich denke, dass das genau die richtige Vorbereitung für das Weiterlesen war.
Die Idee von Kenneth Oppel, die Vorgeschichte zu einem weltbekannten Klassiker zu verfassen, finde ich sehr spannend und soweit ich das nach meinen Recherchen beurteilen kann, hat er sich auch sehr an Mary Shallys Vorgaben gehalten. So treffen wir auf die Charakteren, die auch im späteren Original eine Rolle spielen. Wen Kenneth Oppel aber dazu erfunden hat, ist Victors Zwillingsbruder Konrad. Dafür hat er eine andere reale Person in seine Geschichte eingewoben, Polidori, der mit Mary Shelley und Lord Byron Zeit am Genfersee verbracht hatte, in welcher sie die Idee zu Frankenstein entwickelte. In "Düsteres Verlangen" hat Polidori jedoch einen anderen Vornamen und ist nicht Schriftsteller und Leibarzt sondern Apotheker und Alchemist.

Der Einstieg ins Buch hat mir wirklich ausgezeichnet gefallen. Man wird ins kalte Wasser geworfen und gleich das erste Mal überrascht. Zudem regt es auch schon zum Nachdenken an.

Danach lernen wir die Charakteren erst einmal besser kennen. Die Zwillinge Victor und Konrad, die sich auf der einen Seite so ähnlich sehen und auf der anderen Seite so unterschiedlich sind. Sie wohnen mit ihren Eltern und jüngeren Geschwistern im Schloss der Frankensteins. Konrad, der um einige Minuten ältere Bruder, scheint Everybodys Darling zu sein. Ihm geht alles leicht von der Hand, sei es das Lernen in der Schule, das Fechten wie zum Beispiel auch der positive Umgang mit den Hausangestellten. Das Buch ist aus der Sicht von Victor Frankenstein geschrieben. So erlebt man seine widersprüchlichen Gefühle hautnah und erhält einen tiefen Einblick in seine Psyche. Er liebt seinen Bruder über alles und doch ist er aus den vorher genannten Gründen eifersüchtig und fühlt sich oft minderwertig. So entwickelt er auch immer wieder aggressive Gefühle gegen seinen Zwilling, die er immer wieder bekämpft. Als er dann zusätzlich noch seine Gefühle für Elizabeth entdeckt, die aber Konrad liebt, wird sein Gefühlschaos perfekt.
Elizabeth, eine entfernte Cousine der Zwillingsbrüder, wohnt schon seit früher Kindheit auch auf dem Schloss. Sie ist für die damalige Zeit ein ausserordentlich taffes und tatkräftiges Mädchen. Der Vierte im Bunde ist Henry. Er ist ein sehr ruhiger Charakter, der seinen Kopf lieber in Bücher steckt und selber dichtet, als dass er sich mutig in Abenteuer stürzt. Er ist mir auf Anhieb sympathisch und ich hätte gerne mehr über ihn erfahren.

Nachdem die vier Jugendlichen eines Nachts im Schloss eine geheime Bibliothek entdecken, ist Victor sofort von deren Büchern mit alchimistischem Inhalt angetan. Und als dann Konrad an einem unbekannten, lebensbedrohlichem Fieber erkrankt, setzt er es sich in den Kopf, seinen Zwillingsbruder mit Hilfe des "Elixir des Lebens" zu retten. Nach und nach packt ihn der Wissensdurst und der Grössenwahn. Ich finde, dass die Gefühlswelt Victors wirklich sehr gut ausgearbeitet ist und so kann ich mir regelrecht vorstellen, wie es mit ihm weitergeht und er zu Mary Shelleys Victor Frankenstein wird.

"Und war das wirklich für einen anderen, Victor?"
Ich zog die Stirn hoch. "Was?"
War es für Konrad oder eher für dich? Für deinen Ruhm?"
Ihre Worte bissen tiefer und schneller zu als die Fangzähne einer Schlange, denn es lag eine giftige Wahrheit darin, die ich aber nicht zulassen wollte.

Die Geschichte spielt um 1800 und Kenneth Oppel vermag es gekonnt, Dinge aus jener Zeit in die Geschichte einzuweben. So lernen wir einige Dinge über die damaligen politischen Verhältnisse, über mediziniches (Un-)wissen des 18. Jahrhunderts und über Alchemie.

Dieser Mann hatte Jahre seines Lebens damit verbracht, seinen Beruf zu studieren und auszuüben. Und hier war ich mit meinen alchemistischen Büchern und suchte nach dem Elixier des Lebens.
Aber jetzt, da ich von seinen abwegigen Plänen wusste - Blut zu untersuchen! -, kamen mir die noch fantastischer vor als jeder Foliant mit alten Zaubersprüchen.

Nach dem gekonnten Einstieg ins Buch flacht die Geschichte etwas ab und kommt erst dann wieder so richtig fahrt, als der Apotheker und ehemalige Alchemist Polidori auf der Bildfläche erscheint. Danach steigt die Spannung stetig an und das "Düstere Verlangen" wird greifbar. Der Autor vermag es eine wirklich düstere Atmosphäre aufzubauen und konnte mich das eine oder andere Mal mit einer unvorhergesehenen Wendung überraschen. Fortan wagte ich es kaum mehr, das Buch aus den Händen zu legen und fieberte der Auflösung entgegen.





Das Cover ist wirklich sehr interessant und es sticht aus den sonst so ähnlichen Bucheinbänden hervor. Zuerst habe ich darin nur ein "Abklatschbild" gesehen. Erst mit dem Lesen entdeckte ich viele Einzelheiten darin: Im Gesicht eines Luchses kristallisieren sich vier Gesichter heraus. Im unteren Teil Victor und Konrad und oben zweimal Elizabeth, die zwischen den beiden Brüdern steht. Ich finde es wirklich toll, wie das Titelbild zum Buchinhalt passt. Da wurde wirklich auf die Geschichte eingegangen, was leider viel zu selten passiert.


Nach einer zwischenzeitlichen Flaute gewinnt "Düsteres Verlangen" schnell an Fahrt und wartet mit einer düsteren Atmosphäre, facettenreichen Charakteren, spannenden und gefährlichen Ausflügen, überraschenden Wendungen, widersprüchlichen Gefühlen und Wissen aus der damaligen Zeit auf. Und nach der Lektüre muss ich sagen, dass es Kenneth Oppel geschafft hat, mich neugierig auf das Original "Frankenstein" von Mary Shelley zu machen.





Kenneth Oppel wurde am 31. August 1967 in British Columbia geboren. Er studierte an der University of Toronto in Ontario und lebt heute mit seiner Frau Philippa Shepphard in Cornerbrook, Neufundland. Seine liebsten Freizeitbeschäftigungen: Lesen, Filme schauen, lange Spaziergänge und Reisen.

Und wer noch mehr über den Autor wissen möchte:
Kenneth Oppel über sich selbst: *klick*



Ein herzliches Dankeschön für das Rezensionsexemplar geht an:



   &.  



1 Kommentar:

  1. Ich kenne bisher nur den Film und fand ihn, sagen wir mal...naja. Aber ich glaube, dass meine eigene Fantasie deutlich besser ist als eine Verfilmung, von daher wandert es wohl bei mir auf die Leseliste für 2015!

    Danke für den Tipp und viele Grüße
    Fräulein Bücherwald

    AntwortenLöschen

Hinweis:
Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an den Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzbestimmungen und in der Datenschutzerklärung von Google.