Montag, 16. November 2015

[Rezension] "In deinem Licht und Schatten" von Louisa Reid





Titel: In deinem Licht und Schatten
Reihe: nein
Autorin: Louisa Reid
Übersetzerin: Alexandra Ernst
Genre: Jugendbuch, Drama
Verlag: FISCHER FJB (25. September 2014)
ISBN: 978-3841421524
Seiten: 320






"In deinem Licht und Schatten" hat mich sofort mit seinem speziellen Cover angesprochen. Es ist sehr atmosphärisch und düster und das Bild auf dem Friedhof verspricht ein bedrückendes, ja trauriges Buch zu werden.





Rebecca und ihre Zwillingsschwester könnten unterschiedlicher nicht sein: Die eine schön wie im Märchen, die andere hässlich wie die Nacht. Nur eines haben sie gemeinsam: das Elternhaus, in dem Kälte und Gewalt regieren. Seit sie denken können. retten die Schwestern sich gegenseitig vor den Ausbrüchen des Vaters. Bis eine den Ausbruch wagt und die andere zurücklässt. 
Denn wenn dein Leben die Hölle auf Erden ist, was hast du dann noch zu verlieren?
Alles.
(Bild- und Textquelle: Fischer FJB)





Einstieg ins Buch:
Sie haben mich gezwungen, heute zur Beerdigung meiner Schwester zu gehen.

Die  16-jährigen Zwillingsschwestern Rebecca und Hephzibah leben bei ihren Eltern im Pfarrhaus. Nur schon an ihren hebräischen, biblischen Namen erkennt man, dass sie sicher streng gläubig aufwachsen. Doch was sich wirklich hinter den Mauern des Pfarrhauses abspielt, wagt wohl kaum jemand zu denken, denn der Vater ist nicht nur fundamentalistisch sondern auch sehr gewaltbereit. So erleiden die Schwestern tagtäglich Erniedrigungen und tragen tiefe seelische und körperliche Narben.  Von der Mutter bekommen die beiden Mädchen leider keinerlei Unterstützung, denn sie steht voll hinter ihrem Mann und ist wohl froh, dass nicht sie negative Aufmerksamkeit ihres Mannes abbekommt. 

Heute ist ein weiterer schwarzer Tag, der sich tief in mein Herz eingeritzt hat. Es sind so viele, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Wenn man mich öffnen würde, würde man unter Haut und Knochen eine Bibliothek der Schmerzen finden.     (Rebecca, Seite 8)

Schon im ersten Satz erfahren wir, dass die eine Zwillingsschwester stirbt. Die Kapitel sind dann trotzdem aus beiden Perspektiven erzählt. Von Rebecca erfahren wir das Danach - nach dem Tod von Hephzibah - und Hephzi erzählt und das Davor. So erleben wir, wie unterschiedlich die beiden Schwestern sind, welch verschiedene Ziele und Interessen sie haben. Hephzi möchte in der Schule beliebt sein, ist auf der Suche nach Bestätigung und Liebe. So agiert sie ihrer Schwester gegenüber oft sehr egoistisch. Rebecca leidet am Treacher-Collins-Syndrom (erbliche Erkrankung mit Gesichtsfehlbildungen) und bekommt so die Wut des Vaters noch öfters zu spüren, denn so 'etwas' ist ganz bestimmt nicht von Gott gewollt .... Rebecca würde alles für ihre Schwester tun; seien das nun die Hausaufgaben, für sie zu lügen, sie zu decken oder sie zu schützen. 

Es ist ziemlich anstrengend, jede Sekunde irgendjemanden anlügen zu müssen. Entweder ich spiele in der Schule Theater oder zu Hause. Ich kann mich nur abends im Bett entspannen, und selbst da ist Rebecca, die mich ausquetscht. Allerdings weiss sie sowieso fast alles über mich. Das Einzige, was sie nicht weiss, ist die Tatsache, dass mein Leben genauso beschissen ist wie ihres.        (Hephzi, Seite 74)

Durch die Schilderungen der Töchter sehen wir hinter die Fassade des tyrannischen Vaters. Als Pfarrer stellt er sich jedoch jeden Sonntag auf die Kanzel und mimt den tollen Gottesmann. Er ist gross und attraktiv und die meisten Kirchengänger schauen zu ihm auf. Und so kommt niemand auf die Idee, was die Mädchen alles durchmachen müssen oder aber es wird einfach nicht genau hingeschaut. Denn dass mit den beiden etwas nicht stimmt, kann nicht von der Hand zu weisen sein. Sie besuchen erst seit kurzem die öffentliche Schule und haben keine Ahnung vom normalen weltlichen Leben.

Die Gewalt ist nicht von Anfang an fassbar. Wir bekommen sie zuerst durch die Ängste der Schwestern zu spüren, sie wiegelt sich dann jedoch langsam hoch. Es werden Andeutungen gemacht und Seiten später bekommen wir dann die schreckliche Bestätigung: Hephzibah und Rebecca sind durch die Hölle gegangen - immer und immer wieder - und hatten nur einander .... und nun ist Rebecca allein und sie weiss, dass sie unbedingt von zuhause ausbrechen muss, wenn sie nicht so enden möchte wie ihre Schwester.

Eltern, wie Hephzi und ich sie hatten. Irre, die in ganz normalen Kleidern durch die Strasse gingen, die lächelten und Geld für wohltätige Zwecke sammelten. Und die zum Gebet auf die Knie fielen, wenn niemand sie sah, und sich die Masken von den Gesichtern rissen und den Teufel aus sich herausliessen.     (Rebecca, Seite 64) 

Louisa Reid schreibt eindringlich, ergreifend und beschwört eine beklemmende Atmosphäre herauf. Die dramatische Geschichte lässt wohl niemanden kalt, sondern geht unter die Haut und lässt einen entsetzt zurück. Man kann sich kaum vorstellen, dass es so etwas heutzutage noch gibt, doch Fanatismus macht leider viel Unvorstellbares möglich.





"In deinem Licht und Schatten" ist wirklich eine schwere Kost und liegt einem noch lange auf dem Magen. Louisa Reid erzählt das Schicksal der Zwillingsschwestern Rebecca und Hephzibah, die ein Schattendasein führen und kaum einen Lichtblick haben. Doch es ist auch eine emotionale, eindringliche Lektüre, die einen in seinen Bann zieht und nicht mehr so schnell loslässt.







Louisa Reid ist glückliche Mutter von zwei Töchtern, die sie jeden Tag zum Lachen bringen. Ihre Texte hingegen waren schon immer ungewöhnlich – so ungewöhnlich, dass ihre kleine Schwester manchmal bei der bloßen Beschreibung der Textideen zu schluchzen anfing. Für ihr Debüt ›In deinem Licht und Schatten‹ wurde die Autorin mit Lob überschüttet, und der Text rührte – wie könnte es anders sein – viele Leser zu Tränen. Louisa Reid lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Cambridge.

(Textquelle: Fischer Verlage)




© by Favolas Lesestoff

8 Kommentare:

  1. Hallöchen,

    das Cover sieht wunderschön aus und ich finde deine Meinung wirklich spannend. Ich folge nun deinem Blog und habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt.
    Du kannst ja auch gerne bei mir vorbeischauen.

    Lg Nici

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    1. Hallo Nici

      Ah schön, dass du meinen Blog entdeckt hast!
      Das Buch ist wirklich sehr eindrücklich, aber eben recht harter Tobak - aber das ist es wohl immer, wenn es um Kindesmissbrauch geht.

      lg Favola

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  2. Hoi Favola,
    Das Cover fand ich damals auch genial, mit diesem pinkfarbenen Schirm, aber auch irgendwie gruselig. Während des Lesens war ich teilweise einfach nur wütend und entsetzt, vor allem mit dem Hintergrundwissen, dass es solche "Glaubenszustände" auch heute noch gibt. Mich hat das Buch auch sehr mitgenommen und berührt.
    Schöne Rezi, tolle Zitate (ich glaube ich habe mindestens eines auch, bin mir aber nicht ganz sicher *g*).
    Drück!
    Damaris

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    1. Huhu Damaris

      Ja, das Buch wanderte damals auch wegen dem Cover auf meine Wunschliste und ich bin richtig froh, dass Sibylle es mir dann einfach so zugeschickt hat :-)
      Ja, solche Zustände machen wirklich wütend - auf der anderen Seite war ich aber auch unglaublich entsetzt, dass es das immer noch gibt ... für uns unvorstellbar ....
      Ich habe gerade kurz bei dir vorbeigeschaut und ja, wir haben das Zitat von Seite 8 gemeinsam. Die Bibliothek der Schmerzen springt einem aber auch sofort an .... Bei diesem Buch hatte ich wieder einmal viel zu viele Zitate und ich konnte mich kaum entscheiden, welche ich mich für meine Rezension verwenden möchte.
      Und nach dieser Lektüre muss ich dann auch noch Louisa Reids neues Buch lesen, auch wenn das doch recht umfangreich ist.

      glg Nicole

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    2. Das neue Buch von Louisa Reid möchte ich nun auch lesen. Es soll ähnlich zu Herzen gehen. Ich habe es noch nicht, aber auf der Wunschliste ist es schon! :-)

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    3. Oh ja, ich habe bisher nur begeisterte Stimmen zu "Jeden Tag ein bisschen mehr" gesehen. Eingezogen ist es bei mir auch noch nicht, vielleicht wird es dann ein Geburtstags- und Weihnachtswunsch :-)

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  3. Ich fand das Buch damals auch wirklich ergreifend und etwas ganz besonderes. Eine tolle Rezi!

    LG Piglet <3

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  4. Huhu,
    eine tolle Rezension. Mir ging es gefühlsmäßig bei dem Buch auch ziemlich schwere Kost und obwohl es um Jugendliche geht, würde ich es für Jugendliche nicht wirklich empfehlen.

    LG,
    Bücherfee

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